Die Tradition versteht ihre Seienden als Einheiten von zwei bzw. drei Komponenten.
Ersteres gilt für die ideellen Seienden; sie setzen sich aus den beiden „Komponenten“
– Existenz, Sein oder Daß sowie
– Essenz, Wesen bzw. Was
zusammen, die – nicht miteinander, sondern im zeitlichen Sinne – identisch sind.
Bei den materiellen Seienden kommt noh ein dritter Aspekt hinzu, der in den veränderlichen oder unveränderlichen Eigenschaften bzw. Akzidenzien besteht.
Was ich von einem speziellen Seienden – der Venus beispielsweise – weiß, bezeichnen wir als „I-“ bzw. „Ich-Wissen“.
Die Wirklichkeit des Seienden geht natürlich weit über meine entsprechenden I-Wissungen hinaus. Zum einen sind mir viele seiner Essenzen und gegebenenfalls Akzidenzien – des G- resp. Gesamt-Wissens also – unbekannt, und zum anderen fehlt die Existenz des Seienden.
Das muß sie aber auch; wir können nicht sinnvoll über etwas sprechen, ohne es zu verstehen, und streichen somit in dem tradiionellen Ansatz bei sämtlichen Seienden die Existenz, das Sein oder Daß.
Damit vereinfacht sich unser Problem ungemein , denn es liegen nur noch zwei Wissungen vor.
Dem I-Wissen steht das G-Wissen – bestehend aus Essenzen und Akzidenzien – gegenüber, das möglicherweise viel umfangreicher ist als jenes. Die traditionelle Wissenschaft sieht ihre Aufgabe darin, diese Differenz immer kleiner werden zu lassen; G – I soll möglichst verschwinden.
Aber hier stimmt etwas nicht:
Woher kann ich wissen,
– daß mein – bekanntes – I-Wissen
– einen Teil des – nicht vorhadenen – G-Wissens bildet oder diesem angehört?
Wieso stellt I einenTeil von G dar?
„Rom ist in Baronesien enthalten, aber ich weiß nicht, was Baronesien sein soll.“
Um begründen oder rechtfertigen zu können, daß das I zu dem G zählt, hat die Tradition die existierenden Seienden erfunden:
Es gibt
– ein Gesamtwissen G(A)
– von dem Seienden A,
– das ich natürlich nur Schritt für Schritt erwerben kann;
– I(A) entspricht meinem gegenwärtigen Wissensstand.
Die Tradition
– benötigt das Seiende A, um einen Zusammenhang zwischen I(A) sowie G(A) herstellen zu können, und
– ist sogar bereit, dafür einen völlig unverständlichen Existenzbegriff inkauf zu nehmen.
AD: „Wenn das stimmen sollte, ergäben sich daraus unabsehbare Konsequenzen:
Es gibt natürlich kein Wissen von Seienden, weil sie gar nicht existieren; das scheint unser Resultat zu sein.
Aber wenn wir diese Phantasieprodukte einmal aus dem Spiel lassen, bedeutet es doch:
Es gibt kein Wissen von Ungewußtem.
Das klingt auch noch logisch bis selbstverständlich, bedeutet aber doch in seiner Umkehrung, daß wir nur von Wissungen wissen können:
Der Referent oder das Wovon unserer Wissungen muß in Wissungen bestehen.
Weder von Gott noch vom Teufel beispielsweise vermögen wir irgendetwas zu wissen.
Wer den gegenteiligen Anspruch erhebt, macht die beiden zu Seienden und soll uns bitte erklären, worin ihre Existenz oder Wirklichkeit besteht.“
Betrachten wir diese Konsequenz aus einer etwas anderen Richtung, wird sie vielleicht noch ein wenig „normaler“:
Die Aussage, wir wüßten von A, läßt sich – wie jede andere auch – nur im Rahmen unseres Wirklichkeitsbilds verstehen. Das bedeutet jedoch, daß A eine Wissung sein muß, denn etwas anderes ist darin gar nicht enthalten.
Es ist also gleichgültig, ob das Wissen in unseren expliziten Formulierungen einen Referenten besitzt oder nicht, denn
– einerseits muß der Referent eine Wissung sein, und
– andererseits können wir nur von Wissungen wissen.
Zu diesem Ergebnis kommt auch Josef Mitterer:
Unser I-Wissen heißt bei ihm „Wissen so far“, und für G – I schreibt er „Wissen from now on“. Ohne auch nur an Seiende denken zu müssen, geht Mitterer also allein davon aus, daß
– wir bereits über Wissungen verfügen und
– noch weitere hinzukommen werden.
Mehr läßt sich auch nicht sagen; es „existieren“ keine Zusammenhänge zwischen dem Wissen so far oder I-Wissen und dem Wissen from now on, das wir somit auch nicht als Differenz aus dem G- und I-Wissen verstehen können.
Die Tradition erfindet mit ihren Seienden „existierende“ Zusammenhänge und erzeugt dadurch 1000 Scheinprobleme.