AD: „Ich habe ernstlich versucht, Ihnen zu folgen; das war ein ziemliches Auf und Ab, und gegenwärtig erscheint mir Ihre Idee, die objektive Wirklichkeit canceln zu wollen, wieder einmal als absurd. Sie würden nach der Arbeit die Wohnung nicht finden, könnten keine Freunde wiedererkennen oder wären unfähig, ein bestimmtes Buch im Regal zu suchen.
All das funktioniert doch nur, weil
– die objektive Wirklichkeit der Seienden existiert und
– wir uns ihre gegenwärtig wichtigen Teile vorstellen können,
– um uns an ihnen zu orientieren.
‚Die Wohnung befindet sich dort hinten, das ist Moritz, und mein Buch hatte ich gestern hier abgelegt, so daß es noch da sein müßte.'“
Was hat es mit Ihnen zu tun, daß ich meine Wohnung finde, Freunde wiedererkenne oder ein Buch suche?
AD: „Mit mir gar nichts; warum fragen Sie das?“
Wenn meine subjektiven Intentionen von Ihnen unabhängig sind, verstehe ich nicht, weshalb wir ihret- – also meiner Intentionen – wegen eine objektive Wirklichkeit benötigen sollen.
AD: „Entschuldigung; das war mir auch klar!
Wir brauchen die objektive Wiklichkeit ganz einfach, weil
– es ohne stabile Wirklichkeit nicht geht,
– auch eine subjektive zwar theoretisch genügen würde, aber
– leider widersprüchlich ist.
Wohl niemand kann sich vorstellen oder gar denken, daß in Paris für Sie wirklich der Eiffelturm steht, für mich aber nicht.“
Doch; ich kann das nicht nur, sondern tue es auch; es gelingt mir noch nicht immer, aber immer öfter.
Die Psyche ist ein grundlegender Begriff – allerdings nur für das traditionelle Denken, weil sie an dessen Abbildtheorie gebunden bleibt: Die Seienden im Außen der Welt fungieren als Urbilder, ohne welche die Abbilder (in) der Psyche nicht möglich wären.
Mit den Seienden entfallen auch die Urbilder, so daß die „Abbilder“ zum einen keine Abbilder mehr sind, sondern Wahrnehmungen, deren Zustandekommen in der Postmoderne wir freilich noch nicht verstehen.
Zum anderen existiert damit auch keine Psyche mehr, denn sie besteht ja in der Gesamheit der Abbilder.
Wir hatten für die Tradition das „Innen“ eingeführt, das sich aus der Psyche und der Innenseite meines Lebens zusammensetzt. Aus diesem „Innen“ wird postmodern das Bewußtsein, das insbesondere keine Abbilder mehr, sondern an deren Stelle Wahrnehmungen enthält.
Insgesamt können wir sagen:
Mein Bewußtsein umfaßt sämtliches mir Bewußte oder Gegebene im weitesten Sinne – und damit alles, worüber ich sprechen kann.
Das bedeutet keineswegs, daß mein Bewußtsein alles sei und kein Außerhalb von ihm bestehe, sondern lediglich, daß es sich mir nicht zeigt und ich auch nichts davon wissen kann.
Mittels dieses postmodernen Modells kann sich jeder vorstellen und sogar denken, daß
– in meinem subjektiven Bewußtsein der Eiffelturm in Paris steht und
– in Ihrem subektiven Bewußtsein nicht.
Der Verzicht auf die eine objektive Wirklichkeit – zur Erklärung der vielen subjektiven Wirklichkeiten – beseitigt den Widerspruch, der für Ihr tradtionelles Denken noch zwingend zu sein scheint.
Sie kennen nur Ihr Bewußtsein, und ich allein das meinige. Damit ist jeglicher Widerspruch zwischen unseren beiden Bewußtseinen von vornherein ausgeschlossen.
AD: „So daß die Frage, ob der Eiffelturm nun wirklich in Paris steht oder nicht, hinfällig bzw. zu einem Scheinproblem wird, das nur durch das traditionelle Denken entsteht.