Denken des Ursprungs

Zweieinhalb Tausend Jahre waren die (meisten) Menschen im Abendland überzeugt, dass es außerhalb unseres Bewusstseins und unabhängig von ihm eine Realität gibt; etwas, das existiert oder ist. Weil diese Realität per definitionem seiend ist, nennt man ihre Bestandteile auch Seiende. Menschen, Sterne und Autos beispielsweise sind einem solchen Denken zufolge Seiende.
Seiende verändern sich; Menschen wachsen, Sterne verglühen und Autos rosten. Damit sich etwas verändern kann, muss aber dieses (substanzielle) Sich als konstanter Träger der (akzidentiellen) Veränderungen bestehen bleiben. Ein Mensch beispielsweise kann nur wachsen, weil er Mensch bleibt; „klein“ wird „groß“, aber „Mensch“ bleibt „Mensch“.
Andernfalls hätte sich nicht etwas verändert – eben der Mensch -, sondern es wäre alles anders geworden – aus einem kleinen Menschen vielleicht ein großer Roboter. Das ist keine kontinuierliche Änderung, sondern eine diskontinuierliche Anderungalles ist anders: „Klein“ wird „groß“, und „Mensch“ wird „Roboter“.

Bezüglich jedes Seienden kann man somit die beiden Fragen Stellen: Warum existiert es? Und warum ändert es sich?
Die erst Frage ist eine philosophische. Ihre Antwort besteht im Grund des Seienden. Unseres Erachtens gibt es keine Seienden oder – exakter formuliert – bleibt es völlig unverständlich, was mit der Behauptung ihrer Existenz gemeint sein könnte (vergleiche „Realität und Bewusstsein“). Aber wer voraussetzt, dass es Seiende gibt, müsste nicht nur diese seine Behauptung verständlich machen können, sondern auch den jeweiligen Grund seiner Seienden angeben können.
Die Frage, warum sich ein (angebliches) Seiendes verändert, ist keine philosophische, sondern eine naturwissenschaftliche Frage. Ihre Beantwortung liefert demzufolge auch keinen Grund, sondern eine Ursache: Gründe ermöglichen die Seieinden und Ursachen bewirken ihre Veränderungen.

Ich gehe nicht von Seienden aus, weil mir noch niemand verständlich machen konnte, was er mit den Worten „ein Seiendes ist„, „existiert“ oder „gibt esunabhängig von meinem Bewusstsein sagen will, das heißt, worin der „Sinn von Sein“ besteht. Folglich entfällt auch die Frage nach den Gründen; ich benötige keine.
Zur Verdeutlichung ganz kurz: Der Tisch, auf dem ich gegenwärtig schreibe, existiert. Ich kann ihn sehen, mich daran stoßen, ihn schön oder hässlich finden – und eben auch darauf schreiben; meine Frau bestätigt mir ebenfalls, dass es ihn gibt. Wir könnten diese Aufzählung beliebig fortsetzen: Alle Beispiele, die wir verstehen – und was wir nicht verstehen sind keine Beispiele, sondern leere Worte -, gehören unserem Bewusstsein an. Dass dieser Tisch existiert(B), bedeutet also, dass wir ihn in unserem Bewusstsein erfahren.
Damit habe ich keine Verständnisprobleme. Seiende sollen aber außerhalb des Bewusstseins existieren(A), das heißt unabhängig von allem Erfahren-Können. Dann muss es sich notwendigerweise um ein ganz anderes Existieren(A) handeln – und dieses verstehe ich nicht.

Damit wird natürlich nicht die Wirklichkeit bestritten, sondern lediglich, dass sie die Form von Seienden – aus konstanter Substanz mit veränderlichen Akzidenzien – besitzt und sich außerhalb des Bewusstseins befindet.
Die Wirklichkeit entspringt vielmehr als immer schon bewusste hier und jetzt dem Ursprung. Unsere Begriffe treten an die Stelle der (angeblich) seienden Substanzen und bewirken – bis zur nächsten Anderung – die zeitweilige Konstanz, die für die von den Ursachen bewirkten Veränderungen notwendig ist.